Donnerstag, 13. Dezember 2012

Chinesischer Verkehr ist wie Französische Grammatik – nur gefährlicher



Eigentlich wollte ich den Blogpost ja „Über die Chinesische Verkehrserziehung“ nennen, dann hätte er aber wohl leer bleiben müssen, denn sie ist nicht existent.
Chinesischer Verkehr ist ein bisschen wie Französische Grammatik. Nur, dass Französische Grammatik vielleicht nicht unbedingt gefährlich genannt werden kann, Chinesischer Verkehr zeitweise aber durchaus. Er hat keinerlei Logik an sich und es gibt keine Regeln, sondern nur Ausnahmen. Beziehungsweise im Fall des Chinesischen Verkehrs: Es gäbe zwar – rein theoretisch – schon Regeln, aber niemand hält sich daran. Und bevor jetzt einer von euch denkt „Ich habe in Europa aber auch schon die Verkehrsregeln gebrochen“ kann ich euch sagen, dass das nicht vergleichbar ist. Überhaupt nicht.

Das Grundprinzip des Chinesischen Verkehrs ist das „Recht der Stärkeren“. In anderen Worten, ein Autofahrer hier braucht sich nicht darum zu kümmern, ob er Fußgänger überfährt, denn der Fußgänger ist ja der Schwächere und hat gefälligst selbst darauf zu achten, dass er nicht zusammengefahren wird. Tut er das nicht, so ist das absolut seine eigene Schuld. Was kann denn der Autofahrer dafür, dass der Fußgänger nicht aufgepasst hat?!!
Dieses Prinzip ist mir relativ schnell klargeworden, als ich hierhergekommen bin. Am Anfang habe ich mir – sehr rebellisch – gedacht, ich würde es den Autofahrern schon zeigen. Aber ich war gezwungen, das ziemlich schnell aufzugeben und mich in das System einzufügen. Auf lange Sicht wirkt es sich nämlich positiv auf die Lebensdauer aus. Und ja, ich meine das genau so. Die Chinesen hätten keine Skrupel mich, oder irgendjemanden anderen, zu überfahren.

Das bringt mich zu meinem nächsten Punkt. Es sterben genügend Leute bei Verkehrsunfällen in China, so viel ist klar. Es wundert mich aber ehrlich gesagt, dass nicht noch viel mehr Leute sterben. Wie die Chinesen so ein zahlreiches Volk sein können, trotz der Dinge, die auf ihren Straßen vorgehen. Man kann es sich schwer vorstellen, wenn man noch nie in China war, aber es ist eigentlich wirklich… schrecklich. Das chinesische Verkehrssystem ist vollkommen ausgebaut. Ich wünschte, wir hätten manche von diesen Dingen in Österreich, denn an die Chinesen sind sie absolut verschwendet. Zum Beispiel gibt es auf fast allen Straßen eigene Fahrrad- und Motorradspuren. Und natürlich Fußgängerwege und drei- oder vierspurige Straßen für die Autos. Was allerdings niemanden wirklich kümmert. Jeder bewegt sich überall – Hauptsache nicht dort, wo er eigentlich sein sollte.
Ich werde nie vergessen wie sehr ich mich geschreckt habe, als das erste Mal ein Moped von hinten gekommen ist, während ich ganz friedlich auf dem Fußgängerweg gegangen bin. Mopeds fahren sowieso nur auf den Fußgängerwegen. Warum sollten sie auch ihren eigenen Straßenabschnitt nützen? Ach nein, das können sie ja nicht, dort fahren gerade ein Bus, ein paar Autos und zwischen ihnen schlängeln sich die Menschen durch… Auf chinesischen Straßen ist man nirgends sicher, am allerwenigsten auf dem Fußgängerweg und auf dem Zebrastreifen.

Der Zebrastreifen ist sowieso eine Sache für sich. Ich habe die Logik noch nicht ganz durchschaut, ich glaube aber, dass das Grundprinzip ist „Egal was die Ampel anzeigt, tu was dir gefällt“. Es ist nicht so als hätten die Chinesen keine wundervollen Ampeln. Ich liebe die chinesischen Ampeln. Ich will sie mit nach Hause nehmen. Sie sagen dir nämlich, wie lange es noch Grün bleibt, beziehungsweise wenn die Ampel Rot ist, zeigen sie an, wie lange du noch warten musst. Sowohl den Autofahrern als auch den Fußgängern. Die Ampeln haben mich gleich fasziniert. Nur… sie sind in China DEFINITIV verschwendet, denn den Chinesen sind Ampeln einfach egal. Und es ist absolut sinnlos, sich als Fußgänger daran zu halten, denn wenn die Autos sich nicht um die verschiedenfarbigen Lichter kümmern, ist es egal ob die Fußgänger es tun oder nicht.
Jedenfalls ist es fast schon eine Schande, dass man bei ganz normalen Ampeln an jeder Seite des Zebrastreifens ein bis zwei Verkehrshelfer braucht – und dass noch nicht einmal dann der Verkehr in geordneten Bahnen verläuft. Denn warum sollte es die Motorräder oder Autos betreffen, wenn die Ampel Grün zeigt und der Verkehrshelfer den Fußgängern gewunken hat, dass sie gehen dürfen, während er sich gleichzeitig – aussichtslos – bemüht, die Fahrzeuge in Schach zu halten.
Aber sogar wenn sich diese an die Verkehrsregeln hielten (man bemerke bitte die Verwendung des Konjunktivs) wäre man auf dem Zebrastreifen nicht sicher, denn Chinesische Motorradfahrer sind offenbar der Ansicht, dass der Zebrastreifen für sie genauso sehr wie für Fußgänger da ist. Und ganz nach dem „Recht der Stärkeren“ nehmen sie auch keine Rücksicht auf die Fußgänger, die mit ihnen zeitgleich den Zebrastreifen überqueren. Dazu kommen dann eben noch die Motorräder und Autos, die sich nicht an die Ampel halten – sprich: als Fußgänger in China kommen die Fahrzeuge aus allen Richtungen, und sie sind sicher nicht diejenigen, die darauf Acht geben, dass du nicht überfahren wirst. Nett, oder?

Ich würde ja gerne noch etwas zum Stau sagen, der manchmal sogar verhindert, dass Krankenwagen oder Feuerwehr zu ihrem Ziel kommen können, oder zu den mehr als nur eigenwilligen (dafür aber sehr billigen) Taxis, oder zu der Tatsache, dass es in den meisten chinesischen Autos nicht einmal möglich ist, sich anzugurten, aber das wäre zu lang. Außerdem sollt ihr ja von China keinen falschen Eindruck bekommen.

Ein Wort aber noch zum Schluss: Wenn je einer von euch nach China fährt, sorgt dafür, dass ihr am Anfang nie ohne chinesische Begleitung auf die Straße geht, die euch im schlimmsten Fall schnell auf die Seite ziehen kann. Man gewöhnt sich zwar mit der Zeit daran, aber bis dahin neigen die meisten Menschen dazu, leichtsinnig zu sein oder die Situation zu unterschätzen. Jedenfalls will ich mir nicht ausmalen, wo ich jetzt wäre, wäre ich nicht in meinem ersten Monat hier einige Male von chinesischen Freunden auf die Seite gezogen worden. Danke, liebe Schutzengel. (An alle, die mir Schutzengel, Anhänger oder Amulette geschenkt haben – sie haben offenbar gewirkt.)

Samstag, 27. Oktober 2012

Und wie ist es nach Shanghai eigentlich weitergegangen bei dir...



...wurde ich kürzlich von einer guten Freundin gefragt, und ich glaube es ist Zeit, diese Frage zu beantworten, vor allem deshalb weil ich inzwischen länger in Zhengzhou bin, als ich in Shanghai war. Und, um das einmal kurz zu erwähnen, auch wenn es irgendwie… merkwürdig ist, ich bin seit 3 Monaten zwei Wochen und 3 Tagen in China. Einerseits macht mich das glücklich, andererseits … genau heute ist die Hälfte meines Aufenthalts hier ist vorbei und es fühlt sich nicht lang genug an. Okay, verschieben wir dieses Thema. Wie ist es also wirklich nach Shanghai weitergegangen?

Okay, Shanghai hat damit geendet, dass eine Horde an anderen ausländischen Schülern, von denen bis auf Eine niemand aus meiner Organisation war, ebenfalls nach Shanghai gekommen ist und mir der Großteil dieser Menschen damit auf die Nerven gegangen ist, dass ihnen unbedingt alles nicht gefallen musste… Wie dem auch sei, gemeinsam mit 9 anderen aus dieser Gruppe habe ich dann am 29.August die siebeneinhalbstündige Zugreise hierher, nach Zhengzhou, angetreten. 5 davon sind dann in eine andere Schule gefahren, zwei Italiener, zwei Deutsche, die eigentlich Dänen sind und ich wurden in die „Zhengzhou No.4 Middle School“ gebracht, wo ich erst einmal eineinhalb Wochen im Schlafsaal gewohnt habe, bevor ich am 7.September zu meiner Familie gekommen bin. Ich weigere mich, den Begriff Gastfamilie zu verwenden, meine Familie ist so viel mehr für mich als das. Das heißt nicht, dass ich meine österreichische Familie deshalb weniger liebe, es ist mehr als hätte ich jetzt einfach eine zweite Familie, komplett mit älterem Bruder, Großeltern, Onkels und Tanten, Cousinen und Cousins.

Die Zeit im Schlafsaal war ein wenig trist, weil ich davor immer in Familien war und mir diese Verbundenheit doch sehr abgegangen ist, und ich habe dem Tag, an dem ich zu meiner Familie kommen würde, regelrecht entgegengefiebert.

Bei meiner Familie bin ich inzwischen auch wieder eineinhalb Monate, und der Alltag ist eingetreten. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe. Von vielen Menschen ist mir gesagt worden, dass mit dem Eintritt des Alltags Desillusionierung und Heimweh kommen. Bei mir hatte es den umgekehrten Effekt. Während ich mich in China eigentlich von Anfang an nie als Touristin gefühlt habe, ist mit dem Alltag ein neues, endgültiges Gefühl des In-China-zuhause-Seins gekommen, ich fühle mich… naja, gut, vielleicht nicht unbedingt wie eine Chinesin, aber eben hier zu Hause.

Im Grunde sind meine Tage sehr eintönig. Gegen halb acht aufstehen, in die Schule gehen, vier Stunden Unterricht, in dem ich inzwischen sogar hin und wieder etwas verstehe, Mittagspause, in der ich meistens Chinesisch (hauptsächlich Schriftzeichen) lerne, Schule bis 18:10, zu Hause oder im Speisesaal zu Abend essen, Klavier und Trompete üben, laufen gehen, schlafen. Montags und freitags habe ich am Abend zwei Stunden Chor (ich habe die Aufnahmeprüfung geschafft!!!), was ich sehr genieße… aber das war es dann auch schon.

Es klingt fürchterlich langweilig, aber das ist es eigentlich überhaupt nicht. Jetzt, wo das allererste Staunen – inzwischen schon länger – verflogen ist, habe ich die Möglichkeit, China als „quasi“ Chinesin und nicht als Touristin wirklich kennenzulernen, und fast jeden Tag entdecke ich wieder Dinge, die mich in Staunen, Überraschung, leichtes Amüsement oder leichte Wutanfälle versetzen. Es ist so anders als in Österreich (oder Europa prinzipiell) und sogar die Dinge, die in beiden Ländern gleich sind, sind hier irgendwie anders.
(Ergibt das für euch einen Sinn? Tut mir leid, ich kann es nicht besser beschreiben. Man muss schon hier sein, um das zu verstehen, glaube ich.)
Hier trifft der Satz „Man lernt nie aus“ total zu und ich glaube ich könnte drei Jahre hierbleiben und die Chinesen würden es immer wieder schaffen, mich vollkommen aus der Bahn zu werfen. Die Kultur ist einfach so anders.
Ein zweiter Punkt der verhindert, dass mein Alltag langweilig wird, ist die Tatsache, dass ich jetzt Freunde habe. Ganz ehrlich, bei dem chinesischen Schulsystem wundert es mich, dass ich überhaupt Freunde habe, denn der Stundenplan der chinesischen Schüler, auf den ich zu einem späteren Zeitpunkt noch genauer eingehen werde, besteht aus Schule, lernen, Hausaufgaben, Schule, Hausaufgaben, lernen, 3 Stunden schlafen, aufstehen, Schule, lernen,…
Aber das tut nichts zur Sache. Meine Freunde sorgen dafür, dass jeder Tag einzigartig wird, indem sie mich zum Mittagessen einladen, mir all das über die Chinesische Kultur und Lebensweise zeigen und erzählen, was ich noch nicht gehört oder gesehen habe und dafür sorgen, dass ich mich hier wirklich wie zu Hause fühlen kann.
Was sicher auch dazu beiträgt, dass mir nicht langweilig wird, ist, dass es mir möglich ist, mindestens einmal pro Woche einen Ausflug zu machen und auch sonst meine Stadt erkunden zu gehen. Ich habe ja nicht den Stundenplan der Chinesen.

Ich weiß, die zwei Fotos die ich euch das letzte Mal versprochen habe… irgendwie hat mein Computer was gegen die. Wenn ihr sie sehen wollt, schreibt mir ein E-Mail (lina.m.wagner@gmx.at) , dann schick ich sie euch im Anhang zurück.

Und das nächste Mal geht es um den Verkehr und darauf freu ich mich schon. Sehr. Darüber wollte ich seit meinem ersten Tag in China schreiben, also macht euch auf etwas gefasst…

Montag, 1. Oktober 2012

Ein kleiner Rückblick - Shanghai remembered

Zu meiner Verteidigung: Dieser Blogpost spukt schon fast seit zwei Wochen auf meinem Computer herum, es hat mir nur die Zeit gefehlt, ihm den letzten Schliff zu verpassen und ihn zu posten.
Ich weiß, es ist ziemlich merkwürdig, jetzt noch etwas zu Shanghai zu schreiben, wenn man einmal daran denkt, dass ich jetzt auch schon wieder seit einem Monat in Zhengzhou bin (wow, die Zeit vergeht wahnsinnig schnell!) Aber es gibt in Shanghai Menschen, über die ich noch viel zu wenig geschrieben habe und die mir 5 Wochen lang einen Grund gegeben haben, ständig überglücklich zu sein und die maßgeblich dazu beigetragen haben, dass ich mich in Shanghai, obwohl ich nur so kurz dort war, sehr zuhause gefühlt habe.

Von wem spreche ich? Ich habe sie alle schon einmal erwähnt, aber um sie euch wieder besser in Erinnerung zu rufen: Meine wundervolle Gastfamilie – Sky, Shushu, Xixi – war für mich genauso wichtig wie Rose, meine Chinesischlehrerin.

Und mit Rose werde ich auch beginnen. In Wirklichkeit ist sie ja auch irgendwie mein Familienmitglied, nachdem sie der Meinung ist dass sie eher meine ältere Schwester als meine Chinesischlehrerin ist. Nachdem sie nur 27 ist, geht sich das sogar noch mehr oder weniger gut aus. Es gibt so viel über sie zu sagen, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Das erste, was mir einfällt, ist, dass sie ihren englischen Namen „Rose“ nicht etwas gewählt hat, weil er ähnlich klingt wie ihr chinesischer, und eigentlich auch nicht deshalb, weil „Rose“ übersetzt „Rose“ bedeutet. Nein, es gibt nur einen Grund, warum sie sich gerade diesen Namen ausgesucht hat: Wenn sie einmal heiratet, soll auf den Einladungskarten „Rose and Jack in love“ stehen.
So sind sie, die jungen Chinesinnen. Romantisch… kitschig… Dafür kennt sie Johnny Depp nicht. Wobei sie aber nicht die Einzige ist, ich habe bisher zwei Leute in China kennengelernt, die mit diesem Namen etwas anfangen können.

Aber Johnny Depp tut hier nichts zur Sache. Rose war nicht nur 5 Wochen lang meine Chinesischlehrerin, der ich es zu verdanken habe, dass ich hier im Unterricht nicht ÜBERHAUPT nichts verstehe, sie war noch viel mehr als das. Sie war meine Freundin. Sie ist mit mir ins Kino gegangen, hat mir die billigste Einkaufsstraße für chinesische traditionelle Kleinigkeiten gezeigt, sie hat mir jeden Tag ein kleines Stückchen Schokolade in den Unterricht mitgebracht – nebenbei, sie hat außerdem noch wirklich gut unterrichtet – mich auch manchmal auf ein Eis eingeladen, mich zum Abendessen ausgeführt und dafür gesorgt, dass ich die chinesische Kultur jetzt ein kleines bisschen besser verstehe.

In meinem Klassenraum. Die Handhaltung ist auch total typisch für Chinesen, wenn sie fotografiert werden.

Eines der Dinge, die ich an ihr am meisten mag, ist dass sie Musik liebt. Warum? Weil sie mir jeden Tag im Unterricht ein chinesisches Lied vorgesungen hat und mir auch erlaubt hat, es aufzunehmen. Oder die Tatsache, dass sie nach meiner kleinen Schwester wahrscheinlich noch verrückter ist, als ich es bin –und das ist schon ziemlich schwer vorzustellen. 
Ja, und natürlich hat sie es auch geschafft, mich auf meine Prüfung am Ende dieser 5 Wochen so gut vorzubereiten, dass ich tatsächlich 93% geschafft habe, und darauf ein kleines bisschen stolz bin – ich darf jetzt sagen, dass mein Chinesischlevel „Intermediate 2“ ist.

Okay, soweit so gut. Also, wie ich oben schon erwähnt habe, hat – klarerweise – meine Gastfamilie genauso viel dazu beigetragen, dass ich mich in Shanghai wohlgefühlt habe.
Beginnen wir mit meinem Gastbruder.

Bevor ich nach Shanghai gekommen bin war ich zugegebenermaßen eher skeptisch. Ich habe erst kurz vorher erfahren, dass ich in einer Familie sein werde, und ich habe von meinem Gastbruder nur gewusst, dass er 14 oder 15 ist und dass er Sport und Computerspiele mag. Und man kann sagen was man will, aber 14/15jährige Burschen können manchmal ziemlich anstrengend sein. Ich weiß das, ich hab genügend dieser Art gekannt. Nichts gegen euch, und es trifft auch nicht auf alle zu und auch nicht die ganze Zeit, aber doch auf einige und manchmal. So waren zumindest meine Gedankengänge, bevor ich nach Shanghai gekommen bin.
Aber man lernt eben immer wieder, dass man nicht zu früh urteilen darf.

Mein Gastbruder war, im Endeffekt, der netteste Bruder den ich mir hätte wünschen können (mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass das Hintergrundbild auf seinem Handy Justin Biber war). Er hat mich nach Hangzhou begleitet, für meine Fortbildung in chinesischer Geschichte und Kultur gesorgt, mich in Shanghai herumgeführt, mir chinesische Filme gezeigt – und übersetzt, ich versteh ja kein Wort – wir haben geplaudert, er hat VERSUCHT mir chinesische Witze zu erzählen, das war aber ziemlich sinnlos, weil er sie mir hinterher immer erst erklären musste, weil ich ja kein Chinesisch verstehe, und dadurch geht der Witz verloren, ich hatte mit ihm meine erste halbwegs politische Diskussion hier in China, er hat mich vorgewarnt, was mich in der Schule erwartet, wir haben seinen Geburtstag gemeinsam gefeiert… Kurz, wir hatten richtig viel Spaß.


Ja, dann war da natürlich Sky, meine Mutter. Sie ist Leiterin der Sprachschule, in der ich auch meinen Chinesischunterricht hatte, und sie ist ein richtig mütterlicher Typ, hat mich gleichzeitig aber auch nicht allzu sehr wie ein kleines Kind behandelt. Sie hat mir meine Freiheiten gelassen, und das war für mich doch sehr gut. Ihr Englisch war ziemlich gut – wie übrigens auch das meines Gastbruders, das habe ich oben nicht dazugeschrieben – zumindest für chinesischen Standard, aber wir haben es kaum gebraucht. Sicher, manche Dinge gibt es, die konnte ich nicht einmal mit 3 Wörterbüchern ausdrücken, und manche Dinge habe ich einfach nicht verstanden. Aber den Großteil der Zeit war Englisch wirklich nicht notwendig.


HIER SOLLTE EIN FOTO SEIN, ABER MEIN LAPTOP LÄSST ES MICH GERADE NICHT HOCHLADEN. SOBALD ES WIEDER GEHT KOMMT DAS FOTO NACH.

Meistens war sie sehr beschäftigt, und in vieler Hinsicht hat mich die Beziehung meiner Eltern in Shanghai an die meiner echten, biologischen Eltern erinnert: Sky hat fast den ganzen Tag lang gearbeitet, während Shushu – das heißt übersetzt Onkel, nebenbei – vor ihr zu Hause war und das Abendessen gekocht hat.
In gewisser Hinsicht hat mich das beruhigt, denn wenn ich Chinesen über chinesische Kultur reden höre oder wenn ich mir die Reaktionen ansehe, die ich bekomme wenn ich von der Beziehung meiner Eltern erzähle, oder auch wenn ich mir einige andere chinesischen Ehepaare hernehme, die ich kennenlernen durfte, dann würde ich sagen, dass das eher eine Ausnahmebeziehung ist. Natürlich gibt es viele Frauen, die arbeiten, die meisten sogar, aber ich glaube dass in den allermeisten Familien es trotzdem Voraussetzung ist, dass die Frau weniger arbeitet, um kochen zu können etc.

Ja, Sky war sehr beschäftigt, aber sie hat sich trotzdem sehr bemüht, mit mir viel Zeit verbringen zu können und ich habe sie in den 5 Wochen sehr lieb gewonnen, genauso wie meinen Shushu, obwohl ich mit ihm weniger zu tun gehabt habe, weil ich sein Chinesisch nur sehr schwer verstanden habe. Eigentlich schade, denn er hat sehr viel über chinesische Kultur gewusst und hätte bestimmt viel erzählen können – hat er auch, nur habe ich das meiste davon leider nicht verstanden. Er ist auch ein guter Koch, und davon habe ich nicht nur profitiert, weil ich jeden Tag Unmengen guter Dinge zu essen bekommen habe, sondern auch deshalb, weil er mir beigebracht hat, Jiaozi zu kochen. (Mit Unterstützung von meinem Bruder, der als Übersetzer immer wieder hilfreich war).
Was sind Jiaozi? Davon abgesehen, dass ich bestimmt noch einen Eintrag über Chinesisches Esses schreiben werde, finde ich immer, dass Essen sehr schwierig zu beschreiben ist. Aber nachdem ich jetzt schon dreimal Jiaozi selbstgemacht habe und es hier sicher noch einige Male üben werde, könnte ich mir schon vorstellen, das in Österreich einmal zu servieren, für alle die, die kosten wollen…

HIER SOLLTE EIN FOTO SEIN, ABER MEIN LAPTOP LÄSST ES MICH GERADE NICHT HOCHLADEN. SOBALD ES WIEDER GEHT KOMMT DAS FOTO NACH.

Im Endeffekt waren es einfach 5 wundervolle Wochen, und ich werde meine Gasteltern – und Rose – niemals vergessen und ihnen für immer für die wunderschöne Zeit dankbar sein.
Das wird nur unterstrichen von der Tatsache, dass wir am bei meiner Abfahrt nach Zhengzhou allesamt einige Tränen vergossen haben (in meinem Fall habe ich die Tränen erfolgreich zurückgehalten bis meine Familie außer Sicht war und erst dann begonnen, ziemlich verzweifelt zu schluchzen. Es ist unglaublich wie vertraut man miteinander nach nur fünf Wochen werden kann!)
Aber, hey, wer sagt denn, dass ich sie nie wieder sehen werde?! Sowohl Rose als auch meine Familie wird mich wahrscheinlich hier in Zhengzhou besuchen kommen. Und ich? Bis Februar wird es sich bestimmt nicht mehr ausgehen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es mich nicht einmal bei einer erneuten Chinareise wieder nach Shanghai führen sollte…

Sonntag, 2. September 2012

Eine kleine Besichtigungstour in China...


...durch Wudang, Hangzhou, Wuhan und Shanghai

Ich bin ja von Natur aus ein ziemlich neugieriger Mensch, und deshalb hat es mir nicht ausgereicht, in den beiden Städten zu bleiben, die für mich vorgesehen waren, nämlich Wuhan und Shanghai. Treu dem Motto: „Sieh von China so viel wie möglich und ergreife alle Chancen, die sich dir bieten, mehr von China zu sehen“ habe ich Ende Juli, noch bevor ich nach Shanghai gekommen bin, eine 3-Tagesreise nach Wudang gemacht und erst vorletzte Woche habe ich mit meinem Gastbruder gemeinsam Hangzhou besucht. Diesmal, das verspreche ich, kommt nur wenig Text. Ihr könnt daher – hauptsächlich – die Bilder auf euch wirken lassen und werdet dabei nur hin und wieder von erklärenden Worten meinerseits begleitet…




Wudang und Wudang Shan (= Wudang Berg). Das darf man nicht verwechseln. Wudang Shan ist eine bekannte Sehenswürdigkeit in China, eine Art Mittelding aus Naturreservat, Tempelanlage und Touristenattraktion mit vielen Souvenirshops – wobei eher chinesische Touristen gemeint sind, ich bin jedenfalls die einzige Ausländerin dort gewesen.


Wudang ist eine Stadt, oder genauer gesagt die Stadt, an deren Rand Wudang Shan liegt. Laut Chinesen ist es eine Kleinstadt, hat ja eh nur 4 Millionen Einwohner… Wudang ist aber wirklich eine Kleinstadt, denn erstens fühlen sich 4 Millionen Einwohner-Städte in China irgendwie nicht so groß an, zweitens gibt es ein einfaches Mittel, herauszufinden, wie klein (oder groß) eine chinesische Stadt wirklich ist: Je mehr Leute dich als Ausländer/in anstarren, desto kleiner ist die Stadt.
Die Anreise von Wuhan nach Wudang dauert mit dem Zug ein bisschen mehr als 4 Stunden, daher sind wir am Montag hingefahren, haben am Dienstag Wudang Shan besucht und sind am Mittwoch wieder zurückgefahren.


Mit dem Wetter hatten wir kein Glück, auf dem Berg war es regnerisch und kalt… es war aber trotzdem wunderschön. Aber wir haben die Tempel gesehen, und die waren früher die Bildungsstätten und Unterrichtsgebäude der chinesischen Kaisersöhne.


Wie gesagt, es gibt viele Tempel. Die Leute beten dort auch, und wenn du ein bisschen Geld bezahlst, kannst du dir sogar etwas wünschen, das dann in Erfüllung geht.


Und natürlich begegnest du auch Chinesischen Tanz-Kampfgruppen (sorry, ich hab keine Ahnung wie man das sonst sagen könnte). Und meine wundervolle Hong Ling (das ist meine Chinesischlehrerin) hat natürlich begeistert mitgemacht. Sie ist hier im Vordergrund zu sehen. Und der Herr ganz rechts seht ihr ihren Papa.


















Und zu guter Letzt ist Wudang Shan natürlich auch ein Naturreservat (und zusätzlich noch eine wichtige Stätte des Taoismus und des Wushu. Aber Naturreservat stimmt auch. 


Ja, das waren richtige Affen, sie sind nicht eingesperrt, und sie hätten mich anfallen können, sie waren nur ungefähr zwei Meter von mir entfernt. Sie können vollkommen frei herumlaufen und klettern.


In Hangzhou gibt es jetzt zwar keine Affen, aber Naturreservat trifft es trotzdem ziemlich gut. Okay, was ist Hangzhou? In Hangzhou war ich erst vor etwas mehr als einer Woche und zwar zusammen mit meinem Gastbruder. Wir sind mit dem Zug hingefahren, man braucht von Shanghai ungefähr eine Stunde, und in Hangzhou noch einmal eine Viertelstunde mit dem Bus, bis man zur „Hauptattraktion“ kommt. Aber zu der kommen wir später.
Zuerst einmal: Es ist verblüffend wie man in der einen Sekunde das Gefühl hat, mitten in der Stadt zu sein und sich in der nächsten Sekunde von Natur und chinesischer Tradition umgeben sieht, friedliche, ruhig … zauberhaft. Im Chinesischen gibt es einen Satz, "Shang you tian tang, xia you Su Hang" Übersetzt: Oben gibt es das Paradies, unten gibt es Suzhou und Hangzhou. Sprich: Suzhou und Hangzhou sind wunderschön.




Ich glaube in allen chinesischen Ortschaften, die etwas auf sich halten, gibt es Tempel. Hier auch. Wir haben mehrere besichtigt, unter anderem einen, der für einen chinesischen Kriegshelden gebaut wurde. Davon habe ich aber leider keine Fotos.
Hier drinnen sind viele alte chinesische Kunstwerke und man hat eine wunderbare Aussicht.


Und diese Aussicht führt uns alle zur Hauptattraktion die Hangzhou zu bieten hat und die man auf diesem Bild eigentlich schon ganz gut sieht. Xihu. Übersetzt: Westsee. Klingt unspektakulär… aber… naja, entscheidet selbst.
















Das hier war also der Westsee, und wir überbrücken jetzt ein paar hundert Kilometer und kommen nach Wuhan, zum Donghu, also zum Ostsee (Bitte nicht verwechseln mit der Ostsee). Davon hab ich nicht so viele Bilder… und es ist auch schon sieben Wochen her, dass ich dort war, ABER …


In Wirklichkeit sind sie sich ja ziemlich ähnlich, West und Ostsee…


Aber wenn man sich das zweite Bild anschaut, dann sieht man eine Kleinigkeit von Wuhan, die in Shanghai oder Hangzhou nicht so ist: In Wuhan gibt es keinen blauen Himmel. Über Wuhan ist eine Smogkuppel, der Himmel ist… naja, einfach nicht blau. Ich weiß, am ersten Bild wirkt es so, als wäre er blau, aber das scheint nur auf dem Foto so, in Wirklichkeit ist er nicht blau. Er ist grau, und das wird schnell ziemlich trist. Und am Abend sieht man die Sterne nicht. In Hangzhou war ich nicht lange genug, um herauszufinden, ob man dort Sterne sehen kann, in Shanghai sieht man die Sterne auf jeden Fall, und sowohl in Hangzhou als auch in Shanghai ist der Himmel blau. Wenn das Wetter stimmt.


Ach ja, apropos Shanghai. Da war ich ja auch. Sogar fünf Wochen lang. Nein, ich bin nicht mehr dort, schon seit Mittwoch nicht mehr, ich bin jetzt endgültig in „meiner“ Stadt angekommen, in Zhengzhou. Aber meine Sightseeing-Eindrücke kann ich euch ja trotzdem vermitteln…


Gut. Ich hab viel in Shanghai gesehen, und alle Fotos passen hier nicht rein. Das hier zeigt das Zentrum Shanghais, und auch, dass es eben auch westliche Teile Shanghais gibt. Übrigens, es schaut zwar so aus als wäre der Turm links am höchsten, aber das höchste Gebäude ist eigentlich das eher rechts, das schwach blau leuchtet (nein, nicht das Schiff). Wie man mir das zum ersten Mal gesagt hat, konnte ich es auch nicht glauben…


Ja, das ist echt. Kein Fotoshop oder Ähnliches…
Und dann habe ich noch das hier gesehen. ACHTUNG: Das hier…


         ... ist das hier!




Ja, just saying…
Natürlich war ich auch im Shanghai Museum, und man kann sagen was man will, Museen sind cool. Auch deshalb, weil sie in Shanghai alle gratis sind, aber hauptsächlich, weil sie gute englische Übersetzungen haben, du fotografieren darfst und eine Menge über die chinesische Kultur erfährst. Eine Auswahl…



































(ich will euch ja nicht überfordern)



Ich war auch im Shanghai Expo. Davon gibt es Fotos, aber ich kann ja nicht alles posten… ein bisschen was muss ich mir aufheben, um es herzeigen zu können wenn ich zurück nach Österreich komme. Und ich habe euch viele Fotos gezeigt.


Das war’s für diesmal. Ich freue mich wie immer über Kommentare, Emails oder andere Nachrichten und sende allen wundervolle chinesische Grüße. Hoffentlich war die kleine Tour durch China interessant.

Sonntag, 19. August 2012

Like an alien


Ja, ich weiß dass dieser Post Verspätung hat, das ist aber nicht meine Schuld: Fast eine Woche lang hat Gleichstand zwischen C und D geherrscht, im Endeffekt habe ich beide Einträge geschrieben und auf die Schlussentscheidung gewartet, die vorgestern dann gefallen ist. 6 von euch haben sich etwas über die Aufmerksamkeit, die Ausländer in China erhalten, gewünscht, 5 meine Besichtigungen in Shanghai, 3 etwas über das Verkehrsverhalten… und meine Gastfamilie scheint niemanden zu interessieren, was schade ist, ich fühle mich nämlich weiterhin sehr wohl hier.

Aber das soll wohl das Thema eines anderen Blogeintrags werden. Ich gratuliere euch übrigens zu eurer Wahl, das ist ein spannendes Thema und es hat mir großen Spaß gemacht, darüber zu schreiben. An alle, die sich etwas anderes gewünscht haben: Ich habe versprochen, dass ich über alle Themen einmal schreiben werde. Und ich halte meine Versprechen. Übrigens, das möchte ich jetzt auch noch einmal sagen: Wenn ihr keine Kommentare schreiben wollt, weil ihr euch aus unterschiedlichsten Gründen damit nicht so wohl fühlt, ist es für mich genauso in Ordnung, wenn ihr mir einen Facebook-Eintrag hinterlasst oder ein E-Mail (noch einmal zur Erinnerung, meine E-Mail Adresse ist lina.m.wagner@gmx.at ) schreibt. Kommentieren ist nicht jedermanns Sache.

So. Wie also geht es einem Menschen, der mit „heller“ Haut, braunen Haaren und eindeutig westlichem Aussehen in einer Gruppe Chinesen ungefähr so sehr auffällt wie ein Elefant im Hühnerstall?

Also, um das einmal vorwegzunehmen, es haben mir vorher viele Leute gesagt, dass ich in China durch mein „Anderssein“ auffallen werde. Im Endeffekt hat es mich dann aber doch sehr überrascht, wie sehr ich auffalle. Ich habe in Österreich eigentlich gedacht, dass ich darauf vorbereitet bin, was mich erwartet, aber das hier ist nur eines von vielen Beispielen die zeigen, dass man sich auf die Realität niemals wirklich vorbereiten kann…

Man sollte eigentlich denken, dass eine Stadt mit 9 Millionen Einwohnern an Ausländer gewöhnt sein müsste. Das habe ich zumindest angenommen, als ich nach Wuhan gekommen bin. An meinem ersten Tag dort habe ich festgestellt, dass dem nicht so ist. Das Erstaunliche ist, dass die Chinesen nicht einmal versuchen, diskret zu sein. Ausländer sind in Wuhan – zumindest in dem Viertel, in dem ich gewohnt habe, im Universitätsviertel ist das wahrscheinlich anders – eine derartige Seltenheit, dass es den Menschen relativ egal ist, ob ich merke, dass sie mich anstarren, oder nicht… und ich hätte schon blind sein müssen, um die Blicke nicht zu bemerken, die vielen Leute die mich angeschaut haben und sich oft neugierig noch einmal umgedreht und mir nachgeschaut haben, nachdem ich schon lange weitergegangen war. Und es war offensichtlich, dass ich für viele die erste Ausländerin war, die sie jemals gesehen haben. Am Anfang bin ich mir vorgekommen wie ein Alien.

Warum schreibe ich das eigentlich in der Vergangenheit? Ich bin inzwischen in Shanghai, und spätestens hier hätte ich erwartet, dass die Leute an den Anblick von Ausländern gewohnt sind. Ich meine, Shanghai ist mehr als nur „irgendeine“ Großstadt. Ich glaube ich habe es in einem früheren Post schon erwähnt, aber in Shanghai leben dreimal so viele Menschen wie in Österreich. Da würde man eigentlich erwarten, dass man Ausländer nicht selten antrifft.
Tja, hätte und würde… das sind eben solche Worte. Sie fallen in dieselbe Kategorie wie das Wort wenn und das Wort wäre, und dieser Spruch ist ja wohlbekannt:
„Wenn das Wörtchen wenn nicht wär‘, wär‘ mein Onkel Millionär…“


Zu Shanghais Verteidigung begegnet man hier weitaus weniger ungläubigen, nervtötend-neugierigen Blicken als in Wuhan. Das heißt aber nicht, dass man mir hier nicht mehr schamlos nachschaut; auf der Straße, in der U-Bahn, wann immer ich ein Geschäft betrete oder mich in Gebiete wage, wo sonst wenige Touristen hinkommen (und ich fühle mich in China eigentlich auch nicht als Touristin). Und ich komme mir immer noch wie ein Alien vor. Ich habe mich zwar inzwischen an all die Blicke gewöhnt, ich kann sie sogar ignorieren, aber lustig ist es trotzdem nicht.
Die Aufmerksamkeit steigt sogar noch, wenn man mich mit jemand anderem Chinesisch sprechen hört. Es verbreitet sich dann wie ein Lauffeuer im Bus, im Restaurant, in meinem U-Bahn-Waggon: Dort drüben steht eine Ausländerin, und stellt euch vor, sie spricht Chinesisch. Das Wort „laowai“ ist dann überall um mich herum zu hören. Laowai heißt eigentlich „ehrenwerter Ausländer“, man verwendet es aber eher spöttisch. Man hört es aber auch wenn man irgendwo hineingeht ohne Chinesisch zu sprechen, das Chinesischsprechen zieht nur noch mehr Aufmerksamkeit auf sich.


Die meisten Chinesen können es dann nicht lassen und beginnen selbst, mit mir zu reden – wobei niemand auf die Idee käme, langsam zu sprechen – und brechen nach meinem ersten Chinesischen Wort dann in – noch nicht ganz angebrachte –Lobgesänge auf mein Chinesisch aus.
Andere Chinesen sind schwieriger von meinen Chinesisch schwieriger zu überzeugen, sie beginnen mit meiner Begleitperson, zB meinem Gastbruder, sofern ich in Begleitung unterwegs bin, ein Gespräch über mich und stellen viele Fragen über die merkwürdige Ausländerin. Sie sind auch nicht dazu zu bewegen, mich selbst zu fragen, wenn ich schon zum zehnten Mal selbst mit Chinesisch auf ihre in Chinesisch meinem Gastbruder gestellte Frage geantwortet habe.


Die dritte Gruppe ist mir die liebste, weil sie auch zeigt, dass zumindest in Shanghai es mehr als einen Grund gibt, weshalb so viele Chinesen mir nachschauen. In Shanghai trifft man nämlich durchaus Ausländer an – viel weniger, als ich gedacht hätte, aber es gibt sie. Es gibt aber noch einen anderen Grund, warum Chinesen, übrigens nicht nur aber vor allem chinesische Männer, gerne Ausländern und besonders gerne Ausländerinnen nachschauen. Die Chinesen finden mich hübsch. Und dabei geht es weniger darum, ob ich wirklich hübsch bin oder nicht, sondern eher um die Tatsache, dass ich Europäerin bin. Für Chinesen ist ein westlicher Mensch die Definition von Schönheit. Apropos, zum chinesischen Schönheitsbild werde ich ein anderesmal auch schreiben. Das ist auch nicht uninteressant. Ich sage nur eines: Ich bin froh, dass ich nicht ausschaue wie eine gute Freundin von mir, Michaela Kalcher. Die Blicke würden überhaupt kein Ende mehr nehmen. Tut mir leid, Michi.
Und so passiert es mir immer wieder, dass ich hinter meinem Rücken Leute darüber tuscheln höre, wie hübsch ich bin. Manchmal sagen sie es mir auch ins Gesicht, vor allem dann wenn sie ohnehin davon ausgehen, dass ich sie nicht verstehe. Und es kommt durchaus vor, dass mich Chinesen auf der Straße ansprechen und mich bitten, ob sie ein Foto mit mir oder von mir machen dürfen. Das Süßeste, was mir diesbezüglich passiert ist, war ein junges Mädchen, das zu mir gekommen ist, und – und das ist jetzt ihr Wortlaut, nicht meiner – gesagt hat: „I find you so much beautiful, can I make photo?“ Und dann hat sie Fotos gemacht, von mir mit jeder ihrer Freundinnen. Es war total süß.


Bevor ich diesen viel zu langen Blogeintrag beende noch eine kurze abschließende Sache. Wenn ihr je nach China fahrt, übt euch schon einmal darin, Menschen ignorieren zu können. Denn jeder chinesische Straßenverkäufer, jeder chinesische Bettler, all die Chinesen, die an öffentlichen Orten herumstehen und non-stop Flugblätter verteilen; sie alle stürzen sich nur so auf Ausländer, wenn sie auch nur über einen Funken Englischkenntnisse verfügen und gerade noch ein „Hallo“ zusammenbekommen. Zusammengefasst: Jeder Chinese, der im Endeffekt irgendwie an Geld gelangen möchte, wendet sich an Ausländer, wenn welche vorhanden sind. Am besten lässt man sich auch auf kein Gespräch mit ihnen ein, und wenn man nur sagt, dass man nichts kaufen möchte: Sobald man eine Silbe an sie gerichtet hat wird man sie erst recht nicht mehr los.
Der einzige Vorteil ist, zumindest bei den Straßenverkäufern, dass wenn sie dir auf Englisch zurufen, dass sie am billigsten von allen, am besten von allen, etc… verkaufen, du meist schon gute 100 Meter weiter bist, bis dein Gehirn verarbeitet hat, dass das Englisch war.
Aber bei Bettlern, beispielsweise, ist das nicht so. Sie laufen dir, als Ausländer, nach, hängen sich an deine Kleidung, stupsen dich an und sind nicht so leicht loszuwerden.



Also, jegliche Aufmerksamkeit, die man als Ausländer in China bekommt, sollte man am besten ignorieren. Außer die Chinesen bitten dich um ein Foto, sie sind immer so traurig wenn man es ablehnt.
Nächstes Mal geht es um meine Besichtigungen, und ich habe eine Frage an euch: Ich habe zwei andere kleine Städte besichtigt, Wudang und Hangzhou. Wollt ihr, dass ich das zu meinem Shanghai-Besichtigungspost dazugebe oder soll ich ihnen extra einen Post widmen? Und wenn ich es extra machen soll: Soll ich Hangzhou und Wudang dann auch noch einmal trennen? Genug zu schreiben hätte ich grundsätzlich… ihr kennt mich ja.


Bis dann.
Übrigens, es geht mir gut. Weil viele besorgt waren: Wir haben von dem Taifun in Shanghai nicht viel mitbekommen. Ich habe zwar einen Tag „Taifun-frei“ bekommen, aber es hat eigentlich nur geregnet und war ein bisschen windig; nichts, das ich nicht vorher schon gesehen hätte. Ich musste nicht evakuiert werden und habe das Ganze unbeschadet überstanden.
Und ich finde es selbst wahnsinnig, aber erwähnenswert, dass ich jetzt schon seit einem Monat und eineinhalb Wochen in China bin… unglaublich!
So, und nachdem ich das noch geklärt habe, möchte ich euch nur noch einmal kurz daran erinnern, dass eure Meinungen zu meinem Post, Kritik, Fragen etc gerne als Kommentar (oder facebook-message oder E-Mail, s.oben) hinterlassen werden können.
Nebenbei, seit heute ist es möglich, links oben den Blog per Email zu abonnieren. Dann müsst ihr nicht mehr jeden Tag schauen, ob ich etwas Neues gepostet habe oder nicht...
J
All the best.

Sonntag, 5. August 2012

From Wuhan to Shanghai

Gut. Nachdem mir in Telefonaten und Skype-Gesprächen immer die gleichen Fragen gestellt werden, hab ich mir gedacht, dass ich einen kleinen Eintrag poste, nur um euch alle ein bisschen auf den letzten Stand zu bringen. Seit etwas mehr als einer Woche, genauer gesagt seit vorigem Donnerstag (26.07.2012) bin ich in Shanghai. Der Abschied von meiner Familie in Wuhan, samt meiner Chinesischlehrerin und Mumu, war sehr emotional und tränenreich, wenn auch nicht so traurig wie die Verabschiedung von meiner Familie in Graz.

Aber ich bin glücklich und froh in Shanghai angekommen, bei einer sehr netten Familie. Bei meiner ersten „richtigen“ Gastfamilie, um genau zu sein. Zur Familie später noch etwas, jetzt muss ich einmal aussprechen, wie sehr ich Shanghai liebe.
Die Hitze hier kann man sich zwar nicht vorstellen, wenn man um acht Uhr in der Früh bei eingeschalteter Klimaanlage aufwacht, hat man schon das Gefühl, dass es zu heiß ist, und das hält an, bis man schlafen geht, aber es ist eine sehr beeindruckende Stadt.

So, und jetzt ein bisschen mehr zu meiner Gastfamilie. Ich wohne in einer hübschen Wohnung in einer chinesischen Siedlung. Das hier ist allerdings nur die Sommerwohnung meiner Familie, unter der Schulzeit wohnen sie in einer anderen Gegend, in einer noch größeren Wohnung, damit der Sohn es nicht so weit in die Schule hat. Außer mir gibt es eben erwähnten, 14-jährigen Sohn Xixi, die Mutter Skye, zumindest ist das ihr englischer Name und eben den Vater. Und ich bin – genau wie in Wuhan – auch hier richtig happy. Ich weiß, es liegt wahrscheinlich nicht an meinem Charakter, sondern daran, dass ich Ausländerin bin (dazu in einem anderen Blogpost einmal etwas), aber die Chinesen lieben mich. Meine Eltern in Shanghai inkludiert. Wobei ich jetzt auch sagen muss, dass ich sie auch liebe.

Ich glaube ich habe ziemliches Glück mit meiner Gastfamilie. Skye ist auch die Chefin der Sprachschule die ich besuche, und weil sie dadurch viel mit Ausländern zu tun hat, ist ihr Englisch zwar nicht perfekt, aber verständlich und gut. Eigentlich bin ich ziemlich stolz auf mich, denn ich nütze diese Tatsache fast überhaupt nicht aus, sondern versuche, mithilfe von verschiedenen Wörterbüchern, Hand-, Fuß-, und Zeichensprache, ohne Englisch auszukommen (ich glaube ich schau meistens ziemlich merkwürdig aus, wenn ich Chinesisch spreche, so viel, wie ich in der Luft herumfuchtle und darauf hoffe, dass mein Gegenüber eh versteht, was ich meine…)

Apropos Sprachschule – unter der Woche habe ich täglich vier Stunden Chinesischunterricht, Privatunterricht sogar, der für mich sehr nützlich ist, aber auch sehr anstrengend. Ich habe eine sehr liebe Lehrerin, Rose. Sie ist erst 27 und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie im Vergleich mit den meisten anderen chinesischen Lehrern überhaupt nicht streng ist und vor allem ziemlich offen. Im Unterricht muss ich aber trotzdem aufpassen, dass ich sie nicht vor den Kopf stoße. Kein „Ja, aber…“ in China also. Nein, wirklich, das ist ein sehr sensibles Thema, es war für sie schon beinahe ein Weltuntergang, als ich in einem Listening Recht hatte (das Lösungsbuch hat mir Recht gegeben). Sie hat nur die Frage falsch gelesen und ich denke, in Österreich hätten die meisten Lehrer darüber gelacht oder sich kurz dafür entschuldigt. Entschuldigt hat sie sich auch, aber sie war auch die restliche Stunde ganz verwirrt und hat sich extra bemüht, alles richtig zu machen. Sie hat mir ziemlich leidgetan, und wenn ich davor vielleicht noch darüber nachgedacht habe, die eine oder andere konstruktive Kritik zu üben, habe ich spätestens zu diesem Zeitpunkt diese Idee verworfen.
Aber es bleibt nicht bei den vier Stunden Unterricht täglich, ich habe auch Hausaufgaben, für die ich ziemlich lange brauche. Wenn es nur die Grammatikübungen wären, wäre es ja nicht so schlimm, aber einen 100-Zeichen-langen Aufsatz zu schreiben, immer bis zur jeweils nächsten Stunde, braucht ziemlich viel Zeit. Und lernen muss ich auch, kommende Woche und am Ende meines Kurses habe ich jeweils noch eine Prüfung (vor denen ich jetzt schon Angst habe!). Ich glaube ich habe noch nie so viel Zeit für etwas Schulisches verwendet wie in der letzten Woche.

Am Wochenende habe ich dann Zeit, mir Shanghai ein bisschen anzusehen, und es ist sehenswert. Ich habe die Phrase „Shanghai ist wie jede andere Großstadt auch“ tausendmal gehört, bevor ich nach China gekommen bin, und ich muss sagen, dass ich das überhaupt nicht so empfinde. Zugegeben, ich war noch nie vorher in einer Großstadt dieses Kalibers, für alle, die es interessiert: Shanghai hat 24 Millionen Einwohner, dreimal so viel wie Österreich!


Trotzdem finde ich, dass auch wenn Shanghai Seiten hat, die sehr westlich wirken, es im Grunde doch noch traditionelles China ist. Da gibt es Dinge, die findest du einfach nur in China. Vom Straßenverkehr angefangen, über die Straßen und Häuser und die absolut verrückten Dinge, die die Leute tun… ich hatte erst ein einziges Mal in Shanghai das Gefühl, dass ich hier auch in einer westlichen Stadt sein könnte, und das war, als ich mir die höchsten Gebäude Shanghais letztes Wochenende angesehen habe. Und auch da muss man sämtliche Chinesen, die Chinesischen Schriftzeichen die überall leuchten, die Leute, die auf der Straße chinesische Opern oder traditionelle Fächertänze vorführen und die chinesische Flagge, die überall hängt, ignorieren.
Jedenfalls habe ich mir an beiden Wochenenden einiges von Shanghai angesehen, und ich habe es geliebt. Und natürlich habe ich mich von den anstrengenden Unterrichtsstunden erholt. Traditionelle chinesische Tempel haben schon was. Und chinesische Einkaufsstraßen sind ein Kapitel für sich. Ich werde meinen Besichtigungstouren in Shanghai ohnehin noch einen weiteren Post widmen. Es gibt in Shanghai zwar auch eine westliche Einkaufsstraße, aber wenn man nicht gerade zu der geht, weiß man, warum ich meine, dass Shanghai alles andere ist als „irgendeine von diesen Großstädten“. Übrigens, weil das gerade dazu passt: Ihr könnt euch nicht vorstellen wie schwierig es ist, in Shanghai Postkarten zu bekommen. Shanghai ist eine riesengroße Stadt, man würde doch meinen dass es möglich ist, dort mit nur relativ wenig Aufwand Postkarten zu bekommen. Diese Stadt ist dreimal so groß wie Österreich, for heaven’s sake! Aber Tatsache ist, dass es schier unmöglich ist, hier Postkarten zu bekommen. Deshalb werdet ihr wahrscheinlich auch keine Karten von mir bekommen… Vielleicht Briefe?!

Nachdem ich oben erwähnt habe, dass ich schon an einigen Orten in Shanghai war, muss ich auch dazusagen, wer mich da jeweils hingeführt hat. Nämlich immer Xixi – für alle, die ein schlechtes Namensgedächtnis haben: das ist der Sohn meiner Gastfamilie – , weil meine Gasteltern am Wochenende mit der Arbeit ziemlich beschäftigt sind, und er ist ziemlich bemerkenswert. Es ist lustig, von ihm herumgeführt zu werden und ich glaube, dass wir beide Spaß daran haben, aber ein bisschen ein schlechtes Gewissen habe ich schon, ihn so seiner Sommerferien zu berauben. Und um es hier zu erwähnen: Chinesische Jugendliche sind fürchterlich folgsam. Er hat mir immer gerne alles gezeigt. Ein einziges Mal hat er seine Mutter gefragt, ob er mich nicht vielleicht erst am Nachmittag wohin mitnehmen könnte, weil er sich mit einem Freund treffen wollte. Für mich war das okay, aber seine Mutter hat nur einmal kurz „nein“ gesagt, und damit war die Diskussion erledigt, er hat nicht mehr protestiert und gar nichts. Das hat mich, ehrlich gesagt, ein bisschen überrascht…

Nur, um einigen von euch die Sorgen zu nehmen, nachdem diese Frage auch schon einige Male aufgetaucht ist: Nein, die Unwetter sind nicht bis nach Shanghai gekommen. Es hat eine Taifun-Warnung gegeben, aber ganz ehrlich, wenn das ein Taifun sein soll, das bisschen Wind, das es hier gegeben hat, dann haben wir in Österreich ständig Taifune. In Wien sowieso. Also, ich musste nicht evakuiert werden, ich wurde von keinem Taifun umgeblasen… hier in Shanghai war von Unwettern nicht viel zu sehen und hören. Und mir geht es gut.

So, das hier ist auch noch recht wichtig: Also, ihr alle könnt mich unter meinem Skype-Namen Casutama und unter meiner E-Mail-Adresse lina.m.wagner@gmx.at immer erreichen, obwohl ich jetzt ein Handy habe würde ich aber an eurer Stelle nicht anrufen, höchstens SMS schreiben, da das erstens billiger ist und ich zweitens mein Handy so gut wie nie eingeschaltet habe. Wer mit mir sprechen möchte, sollte sich lieber über Skype melden, ansonsten sind E-Mails auch einfacher als SMS.

Und last but not least: Wenn mit meinem Internet weiterhin alles klappt (beten!!!), könnte ich es eventuell schaffen, in einer Woche wieder einen Eintrag zu posten. Und weil ich euch alle lieb hab, könnt ihr entscheiden, worum es gehen soll (und deshalb, weil ich so viele Themen im Kopf habe und mich nicht entscheiden kann). Ich werde die Sachen sowieso irgendwann posten, aber ihr entscheidet, was ich zuerst schreiben soll. Also es gäbe zur Auswahl A, B, C oder D.

A… Mehr über meine Schule/Lehrerin/Gastfamilie in Shanghai
B… Etwas über das Verkehrsverhalten der Chinesen (spannendes Thema, ehrlich!)
C… Ein Post über die Aufmerksamkeit, die Ausländer in China erhalten
D… Meine Besichtigungen in Shanghai (samt vielen Fotos)

Also, bis dann. Es geht mir gut. Und hinterlasst Kommentare, ich will ja wissen ob überhaupt jemand liest was ich schreibe.

Montag, 9. Juli 2012

Wuhan... my very first time in China

Gut, ich weiß es ist nicht die beste Art einen Blog damit zu starten, dass der erste Post zwei Wochen Verspätung hat. Was kann ich zu meiner Entschuldigung sagen? Ich hatte kein Internet – und eigentlich habe ich immer noch keines, aber das ist momentan Nebensache.
Inzwischen ist es der 14. Tag seit ich von zu Hause weggeflogen bin, und irgendwie kann ich es immer noch nicht ganz fassen. 14 Tage klingen in meinen Ohren circa so glaubhaft wie „Sieh mal, Gerard Way ist gerade an uns vorbeigegangen!“ Sprich, gar nicht. Aber das heißt nicht, dass ich diese zwei Wochen (!) nicht genossen hätte. Im Gegenteil. Es ist unglaublich, wunderschön und manchmal wirklich total verrückt.

Und trotzdem hab ich gerade wirklich gar keine Ahnung, was ich euch allen erzählen möchte. Nicht, dass es nichts zu erzählen gäbe, ich hab in den letzten zwei Wochen mehr erlebt als davor in meinem halben Leben, ich habe 93 Seiten Tagebuch geschrieben – ihr kennt mich ja, ich hab’s irgendwie mit der Schreiblänge – und bin gerade bei „little fact number 90“angekommen, also in nicht ganz zwei Wochen schon 90 Kleinigkeiten, die mir an China und den Chinesen aufgefallen sind. Ich kann mich also wirklich nicht darüber beklagen, dass ich nichts zu erzählen hätte. Aber momentan weiß ich nicht ganz, was ich euch erzählen möchte, denn nicht alle 90 Fakten und nicht alle 93 Seiten Tagebuch sind für jeden besonders interessant…

Okay. Ich beginne am Anfang. Aber bevor ich anfange möchte ich die Gelegenheit nutzen und euch allen für die guten Wünsche, für die schönen Karten und Briefe und für die liebevollen Geschenke herzlich danken. Die allermeisten Dinge haben ihren Weg nach China gefunden – nein, alle, weil die wenigen Dinge, die ich im Koffer nicht mitgenommen habe, habe ich ganz fest im Herzen mitgenommen, und von jedem habe ich zumindest EIN Andenken mit – die Tagebücher werden schon fleißig benutzt, wie man oben unschwer überlesen kann, die Schutzengel haben alle ihren Platz neben meinem Bett, die Schutzarmbänder und Ketten habe ich gar nicht erst abgelegt, und sie haben definitiv ihren Dienst getan, und die Bücher habe ich auf meinem Flug verschlungen, das war auch ganz gut so: Ich habe wirklich Seelentröster und Ablenkungen gebraucht.
Denn wenn ich über meinen Flug ein paar Dinge sagen müsste, würde ich sagen:
Ich hab im ersten Flugzeug die ganze Flugzeit lang durchgeheult. (Das waren zum Glück nur knapp zwei Stunden.)
Es war alles viel weniger kompliziert, als ich es mir vorher vorgestellt habe.
Ich hatte keinen Jetlag. Und last but not least:
Sobald ich auf Chinesischem Boden gestanden bin, war ich einfach nur noch aufgeregt und sehr, sehr glücklich.
Und später hat auch alles geklappt. Ich wurde von der richtigen Familie abgeholt (auch, wenn auf dem Schild, das sie hochgehalten haben „NINA“ gestanden ist…) und alle waren wahnsinnig nett. Ich hatte dann noch zwei Nächte lang Heimweh, dann war auch das vorbei.
Für alle, die es nicht wissen: Ich wohne bei den Eltern von Hong Ling, meiner Chinesischlehrerin. Aber wer jetzt glaubt, dass es deshalb im Haus still ist, hat sich ziemlich geirrt. Das Haus ist bevölkert mit Kindern, die mich alle ziemlich exotisch und aufregend finden.
Da wären zum Beispiel einmal Baobao und Beibei, die 3-jährigen Zwillingstöchter von Hong Lings Schwester. Sie sind entzückend und haben noch mehr Unsinn im Kopf als Adele (und ich habe immer naiv angenommen dass das gar nicht möglich ist!). Außerdem betätigen sie sich gerne als Friseure und sonstige Beauty-Spezialisten…
Ich nach der Schönheitspflege

Jedenfalls gibt es nichts Süßeres als chinesische Kleinkinder
Beibei und Baobao

Dann gibt es noch Tiantian, den Sohn von Hong Lings Bruder, von dem man nicht viel mitbekommt weil er den ganzen Tag lang irgendwelche Spiele auf allen Handys spielt, die er ergattern kann. Dafür ist Gege – seine Schwester – umso präsenter.
Gege
Sie liebt mich und sie versteht mein chinesisches Gestotter auch am besten. Dass mich hier alle kleinen Kinder „Lina Jiejie“ nennen (das heißt so viel wie „Große Schwester Lina“), daran könnte ich mich aber gewöhnen…
Am Samstag sind meine Chinesischlehrerin und ihre Tochter – Mumu – nachgekommen, seitdem habe ich sogar Privatübersetzer.
Mumu und Hong Ling am Donghu-See (Ostsee)
Die habe ich auch dringend notwendig, denn mein größter Vorteil und gleichzeitig größter Nachteil in China ist, dass ich nicht sehr, aber doch relativ gut Chinesisch sprechen kann, jedenfalls gut genug um mich verständlich zu machen.
Das Problem ist folgendes: Ich verstehe Chinesisch nicht besonders gut. Aber sobald die Chinesen hören, dass ich ihre Sprache spreche, denken sie sofort, dass ich mehr oder weniger alles verstehen kann und beginnen in sehr schnellem, umgangssprachlichen Chinesisch auf mich einzureden.
Noch schlimmer ist es nur dann, wenn viele Leute gleichzeitig auf dich einreden.
Oder dann, wenn sie versuchen, mit dir Englisch zu sprechen. Ganz ehrlich: Ich verstehe Chinesen besser, wenn sie mit mir Chinesisch reden als wenn sie es mit Englisch probieren. Es gibt zwar in der Siedlung, in der ich wohne, einen „Bilingual kindergarten“, aber ich habe noch nichts davon gemerkt, dass der für irgendetwas gut war. Die Vokabel können die Chinesen wahrscheinlich sogar, aber ich kann das nicht beurteilen, die Aussprache ist derartig unverständlich dass ich keine Chance habe, die Wörter auch nur zu erraten. (Ich bestreite nicht, dass es Chinesen gibt, die gut Englisch sprechen, aber zumindest bisher habe ich in China keinen davon getroffen).
Trotzdem merke ich deutlich, dass mein Chinesisch (Sprechen, Verstehen und erstaunlicherweise sogar das Lesen) besser geworden ist. Das ist auch gut so: Sobald ich ab 26. Juli in Shanghai bin, werde ich es ohne Privatdolmetscher schaffen müssen, bis dahin bin ich aber ganz froh, Hong Ling und Mumu hierzuhaben.
Mir bleiben nur noch drei Tage, bevor ich nach Shanghai fahre und in meine erste „richtige“ Gastfamilie und auch erste (Chinesisch)Schule komme.



Ich weiß nicht, wann ich es das nächste Mal schaffen werde, einen Blogeintrag zu schreiben, aber ich hoffe, dass ich es bald schaffen werde, auch wenn dieser Blogpost ursprünglich nur über Umwege gepostet wurde - meine Eltern waren so lieb und haben das für mich erledigt - habe ich jetzt zum ersten Mal funktionierendes Internet. Ich werde wahrscheinlich noch eine Weile brauchen, bis ich mich damit zurechtgefunden habe... aber zumindest weiß ich jetzt, dass es funktioniert. Und damit bis bald.