Samstag, 27. Oktober 2012

Und wie ist es nach Shanghai eigentlich weitergegangen bei dir...



...wurde ich kürzlich von einer guten Freundin gefragt, und ich glaube es ist Zeit, diese Frage zu beantworten, vor allem deshalb weil ich inzwischen länger in Zhengzhou bin, als ich in Shanghai war. Und, um das einmal kurz zu erwähnen, auch wenn es irgendwie… merkwürdig ist, ich bin seit 3 Monaten zwei Wochen und 3 Tagen in China. Einerseits macht mich das glücklich, andererseits … genau heute ist die Hälfte meines Aufenthalts hier ist vorbei und es fühlt sich nicht lang genug an. Okay, verschieben wir dieses Thema. Wie ist es also wirklich nach Shanghai weitergegangen?

Okay, Shanghai hat damit geendet, dass eine Horde an anderen ausländischen Schülern, von denen bis auf Eine niemand aus meiner Organisation war, ebenfalls nach Shanghai gekommen ist und mir der Großteil dieser Menschen damit auf die Nerven gegangen ist, dass ihnen unbedingt alles nicht gefallen musste… Wie dem auch sei, gemeinsam mit 9 anderen aus dieser Gruppe habe ich dann am 29.August die siebeneinhalbstündige Zugreise hierher, nach Zhengzhou, angetreten. 5 davon sind dann in eine andere Schule gefahren, zwei Italiener, zwei Deutsche, die eigentlich Dänen sind und ich wurden in die „Zhengzhou No.4 Middle School“ gebracht, wo ich erst einmal eineinhalb Wochen im Schlafsaal gewohnt habe, bevor ich am 7.September zu meiner Familie gekommen bin. Ich weigere mich, den Begriff Gastfamilie zu verwenden, meine Familie ist so viel mehr für mich als das. Das heißt nicht, dass ich meine österreichische Familie deshalb weniger liebe, es ist mehr als hätte ich jetzt einfach eine zweite Familie, komplett mit älterem Bruder, Großeltern, Onkels und Tanten, Cousinen und Cousins.

Die Zeit im Schlafsaal war ein wenig trist, weil ich davor immer in Familien war und mir diese Verbundenheit doch sehr abgegangen ist, und ich habe dem Tag, an dem ich zu meiner Familie kommen würde, regelrecht entgegengefiebert.

Bei meiner Familie bin ich inzwischen auch wieder eineinhalb Monate, und der Alltag ist eingetreten. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe. Von vielen Menschen ist mir gesagt worden, dass mit dem Eintritt des Alltags Desillusionierung und Heimweh kommen. Bei mir hatte es den umgekehrten Effekt. Während ich mich in China eigentlich von Anfang an nie als Touristin gefühlt habe, ist mit dem Alltag ein neues, endgültiges Gefühl des In-China-zuhause-Seins gekommen, ich fühle mich… naja, gut, vielleicht nicht unbedingt wie eine Chinesin, aber eben hier zu Hause.

Im Grunde sind meine Tage sehr eintönig. Gegen halb acht aufstehen, in die Schule gehen, vier Stunden Unterricht, in dem ich inzwischen sogar hin und wieder etwas verstehe, Mittagspause, in der ich meistens Chinesisch (hauptsächlich Schriftzeichen) lerne, Schule bis 18:10, zu Hause oder im Speisesaal zu Abend essen, Klavier und Trompete üben, laufen gehen, schlafen. Montags und freitags habe ich am Abend zwei Stunden Chor (ich habe die Aufnahmeprüfung geschafft!!!), was ich sehr genieße… aber das war es dann auch schon.

Es klingt fürchterlich langweilig, aber das ist es eigentlich überhaupt nicht. Jetzt, wo das allererste Staunen – inzwischen schon länger – verflogen ist, habe ich die Möglichkeit, China als „quasi“ Chinesin und nicht als Touristin wirklich kennenzulernen, und fast jeden Tag entdecke ich wieder Dinge, die mich in Staunen, Überraschung, leichtes Amüsement oder leichte Wutanfälle versetzen. Es ist so anders als in Österreich (oder Europa prinzipiell) und sogar die Dinge, die in beiden Ländern gleich sind, sind hier irgendwie anders.
(Ergibt das für euch einen Sinn? Tut mir leid, ich kann es nicht besser beschreiben. Man muss schon hier sein, um das zu verstehen, glaube ich.)
Hier trifft der Satz „Man lernt nie aus“ total zu und ich glaube ich könnte drei Jahre hierbleiben und die Chinesen würden es immer wieder schaffen, mich vollkommen aus der Bahn zu werfen. Die Kultur ist einfach so anders.
Ein zweiter Punkt der verhindert, dass mein Alltag langweilig wird, ist die Tatsache, dass ich jetzt Freunde habe. Ganz ehrlich, bei dem chinesischen Schulsystem wundert es mich, dass ich überhaupt Freunde habe, denn der Stundenplan der chinesischen Schüler, auf den ich zu einem späteren Zeitpunkt noch genauer eingehen werde, besteht aus Schule, lernen, Hausaufgaben, Schule, Hausaufgaben, lernen, 3 Stunden schlafen, aufstehen, Schule, lernen,…
Aber das tut nichts zur Sache. Meine Freunde sorgen dafür, dass jeder Tag einzigartig wird, indem sie mich zum Mittagessen einladen, mir all das über die Chinesische Kultur und Lebensweise zeigen und erzählen, was ich noch nicht gehört oder gesehen habe und dafür sorgen, dass ich mich hier wirklich wie zu Hause fühlen kann.
Was sicher auch dazu beiträgt, dass mir nicht langweilig wird, ist, dass es mir möglich ist, mindestens einmal pro Woche einen Ausflug zu machen und auch sonst meine Stadt erkunden zu gehen. Ich habe ja nicht den Stundenplan der Chinesen.

Ich weiß, die zwei Fotos die ich euch das letzte Mal versprochen habe… irgendwie hat mein Computer was gegen die. Wenn ihr sie sehen wollt, schreibt mir ein E-Mail (lina.m.wagner@gmx.at) , dann schick ich sie euch im Anhang zurück.

Und das nächste Mal geht es um den Verkehr und darauf freu ich mich schon. Sehr. Darüber wollte ich seit meinem ersten Tag in China schreiben, also macht euch auf etwas gefasst…

Montag, 1. Oktober 2012

Ein kleiner Rückblick - Shanghai remembered

Zu meiner Verteidigung: Dieser Blogpost spukt schon fast seit zwei Wochen auf meinem Computer herum, es hat mir nur die Zeit gefehlt, ihm den letzten Schliff zu verpassen und ihn zu posten.
Ich weiß, es ist ziemlich merkwürdig, jetzt noch etwas zu Shanghai zu schreiben, wenn man einmal daran denkt, dass ich jetzt auch schon wieder seit einem Monat in Zhengzhou bin (wow, die Zeit vergeht wahnsinnig schnell!) Aber es gibt in Shanghai Menschen, über die ich noch viel zu wenig geschrieben habe und die mir 5 Wochen lang einen Grund gegeben haben, ständig überglücklich zu sein und die maßgeblich dazu beigetragen haben, dass ich mich in Shanghai, obwohl ich nur so kurz dort war, sehr zuhause gefühlt habe.

Von wem spreche ich? Ich habe sie alle schon einmal erwähnt, aber um sie euch wieder besser in Erinnerung zu rufen: Meine wundervolle Gastfamilie – Sky, Shushu, Xixi – war für mich genauso wichtig wie Rose, meine Chinesischlehrerin.

Und mit Rose werde ich auch beginnen. In Wirklichkeit ist sie ja auch irgendwie mein Familienmitglied, nachdem sie der Meinung ist dass sie eher meine ältere Schwester als meine Chinesischlehrerin ist. Nachdem sie nur 27 ist, geht sich das sogar noch mehr oder weniger gut aus. Es gibt so viel über sie zu sagen, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. Das erste, was mir einfällt, ist, dass sie ihren englischen Namen „Rose“ nicht etwas gewählt hat, weil er ähnlich klingt wie ihr chinesischer, und eigentlich auch nicht deshalb, weil „Rose“ übersetzt „Rose“ bedeutet. Nein, es gibt nur einen Grund, warum sie sich gerade diesen Namen ausgesucht hat: Wenn sie einmal heiratet, soll auf den Einladungskarten „Rose and Jack in love“ stehen.
So sind sie, die jungen Chinesinnen. Romantisch… kitschig… Dafür kennt sie Johnny Depp nicht. Wobei sie aber nicht die Einzige ist, ich habe bisher zwei Leute in China kennengelernt, die mit diesem Namen etwas anfangen können.

Aber Johnny Depp tut hier nichts zur Sache. Rose war nicht nur 5 Wochen lang meine Chinesischlehrerin, der ich es zu verdanken habe, dass ich hier im Unterricht nicht ÜBERHAUPT nichts verstehe, sie war noch viel mehr als das. Sie war meine Freundin. Sie ist mit mir ins Kino gegangen, hat mir die billigste Einkaufsstraße für chinesische traditionelle Kleinigkeiten gezeigt, sie hat mir jeden Tag ein kleines Stückchen Schokolade in den Unterricht mitgebracht – nebenbei, sie hat außerdem noch wirklich gut unterrichtet – mich auch manchmal auf ein Eis eingeladen, mich zum Abendessen ausgeführt und dafür gesorgt, dass ich die chinesische Kultur jetzt ein kleines bisschen besser verstehe.

In meinem Klassenraum. Die Handhaltung ist auch total typisch für Chinesen, wenn sie fotografiert werden.

Eines der Dinge, die ich an ihr am meisten mag, ist dass sie Musik liebt. Warum? Weil sie mir jeden Tag im Unterricht ein chinesisches Lied vorgesungen hat und mir auch erlaubt hat, es aufzunehmen. Oder die Tatsache, dass sie nach meiner kleinen Schwester wahrscheinlich noch verrückter ist, als ich es bin –und das ist schon ziemlich schwer vorzustellen. 
Ja, und natürlich hat sie es auch geschafft, mich auf meine Prüfung am Ende dieser 5 Wochen so gut vorzubereiten, dass ich tatsächlich 93% geschafft habe, und darauf ein kleines bisschen stolz bin – ich darf jetzt sagen, dass mein Chinesischlevel „Intermediate 2“ ist.

Okay, soweit so gut. Also, wie ich oben schon erwähnt habe, hat – klarerweise – meine Gastfamilie genauso viel dazu beigetragen, dass ich mich in Shanghai wohlgefühlt habe.
Beginnen wir mit meinem Gastbruder.

Bevor ich nach Shanghai gekommen bin war ich zugegebenermaßen eher skeptisch. Ich habe erst kurz vorher erfahren, dass ich in einer Familie sein werde, und ich habe von meinem Gastbruder nur gewusst, dass er 14 oder 15 ist und dass er Sport und Computerspiele mag. Und man kann sagen was man will, aber 14/15jährige Burschen können manchmal ziemlich anstrengend sein. Ich weiß das, ich hab genügend dieser Art gekannt. Nichts gegen euch, und es trifft auch nicht auf alle zu und auch nicht die ganze Zeit, aber doch auf einige und manchmal. So waren zumindest meine Gedankengänge, bevor ich nach Shanghai gekommen bin.
Aber man lernt eben immer wieder, dass man nicht zu früh urteilen darf.

Mein Gastbruder war, im Endeffekt, der netteste Bruder den ich mir hätte wünschen können (mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass das Hintergrundbild auf seinem Handy Justin Biber war). Er hat mich nach Hangzhou begleitet, für meine Fortbildung in chinesischer Geschichte und Kultur gesorgt, mich in Shanghai herumgeführt, mir chinesische Filme gezeigt – und übersetzt, ich versteh ja kein Wort – wir haben geplaudert, er hat VERSUCHT mir chinesische Witze zu erzählen, das war aber ziemlich sinnlos, weil er sie mir hinterher immer erst erklären musste, weil ich ja kein Chinesisch verstehe, und dadurch geht der Witz verloren, ich hatte mit ihm meine erste halbwegs politische Diskussion hier in China, er hat mich vorgewarnt, was mich in der Schule erwartet, wir haben seinen Geburtstag gemeinsam gefeiert… Kurz, wir hatten richtig viel Spaß.


Ja, dann war da natürlich Sky, meine Mutter. Sie ist Leiterin der Sprachschule, in der ich auch meinen Chinesischunterricht hatte, und sie ist ein richtig mütterlicher Typ, hat mich gleichzeitig aber auch nicht allzu sehr wie ein kleines Kind behandelt. Sie hat mir meine Freiheiten gelassen, und das war für mich doch sehr gut. Ihr Englisch war ziemlich gut – wie übrigens auch das meines Gastbruders, das habe ich oben nicht dazugeschrieben – zumindest für chinesischen Standard, aber wir haben es kaum gebraucht. Sicher, manche Dinge gibt es, die konnte ich nicht einmal mit 3 Wörterbüchern ausdrücken, und manche Dinge habe ich einfach nicht verstanden. Aber den Großteil der Zeit war Englisch wirklich nicht notwendig.


HIER SOLLTE EIN FOTO SEIN, ABER MEIN LAPTOP LÄSST ES MICH GERADE NICHT HOCHLADEN. SOBALD ES WIEDER GEHT KOMMT DAS FOTO NACH.

Meistens war sie sehr beschäftigt, und in vieler Hinsicht hat mich die Beziehung meiner Eltern in Shanghai an die meiner echten, biologischen Eltern erinnert: Sky hat fast den ganzen Tag lang gearbeitet, während Shushu – das heißt übersetzt Onkel, nebenbei – vor ihr zu Hause war und das Abendessen gekocht hat.
In gewisser Hinsicht hat mich das beruhigt, denn wenn ich Chinesen über chinesische Kultur reden höre oder wenn ich mir die Reaktionen ansehe, die ich bekomme wenn ich von der Beziehung meiner Eltern erzähle, oder auch wenn ich mir einige andere chinesischen Ehepaare hernehme, die ich kennenlernen durfte, dann würde ich sagen, dass das eher eine Ausnahmebeziehung ist. Natürlich gibt es viele Frauen, die arbeiten, die meisten sogar, aber ich glaube dass in den allermeisten Familien es trotzdem Voraussetzung ist, dass die Frau weniger arbeitet, um kochen zu können etc.

Ja, Sky war sehr beschäftigt, aber sie hat sich trotzdem sehr bemüht, mit mir viel Zeit verbringen zu können und ich habe sie in den 5 Wochen sehr lieb gewonnen, genauso wie meinen Shushu, obwohl ich mit ihm weniger zu tun gehabt habe, weil ich sein Chinesisch nur sehr schwer verstanden habe. Eigentlich schade, denn er hat sehr viel über chinesische Kultur gewusst und hätte bestimmt viel erzählen können – hat er auch, nur habe ich das meiste davon leider nicht verstanden. Er ist auch ein guter Koch, und davon habe ich nicht nur profitiert, weil ich jeden Tag Unmengen guter Dinge zu essen bekommen habe, sondern auch deshalb, weil er mir beigebracht hat, Jiaozi zu kochen. (Mit Unterstützung von meinem Bruder, der als Übersetzer immer wieder hilfreich war).
Was sind Jiaozi? Davon abgesehen, dass ich bestimmt noch einen Eintrag über Chinesisches Esses schreiben werde, finde ich immer, dass Essen sehr schwierig zu beschreiben ist. Aber nachdem ich jetzt schon dreimal Jiaozi selbstgemacht habe und es hier sicher noch einige Male üben werde, könnte ich mir schon vorstellen, das in Österreich einmal zu servieren, für alle die, die kosten wollen…

HIER SOLLTE EIN FOTO SEIN, ABER MEIN LAPTOP LÄSST ES MICH GERADE NICHT HOCHLADEN. SOBALD ES WIEDER GEHT KOMMT DAS FOTO NACH.

Im Endeffekt waren es einfach 5 wundervolle Wochen, und ich werde meine Gasteltern – und Rose – niemals vergessen und ihnen für immer für die wunderschöne Zeit dankbar sein.
Das wird nur unterstrichen von der Tatsache, dass wir am bei meiner Abfahrt nach Zhengzhou allesamt einige Tränen vergossen haben (in meinem Fall habe ich die Tränen erfolgreich zurückgehalten bis meine Familie außer Sicht war und erst dann begonnen, ziemlich verzweifelt zu schluchzen. Es ist unglaublich wie vertraut man miteinander nach nur fünf Wochen werden kann!)
Aber, hey, wer sagt denn, dass ich sie nie wieder sehen werde?! Sowohl Rose als auch meine Familie wird mich wahrscheinlich hier in Zhengzhou besuchen kommen. Und ich? Bis Februar wird es sich bestimmt nicht mehr ausgehen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass es mich nicht einmal bei einer erneuten Chinareise wieder nach Shanghai führen sollte…